Es ist eigentlich schon fünf nach 12. Während sich die Parteien streiten, ob es ohnehin schon zu spät wäre oder ob der Klimawandel tatsächlich zu stoppen sei, gibt es weltweite Demonstrationen und die Forderung: die Gesetze müssen das Klima schützen! Neben diesen großen Bewegungen gibt es aber auch – oder vor allem – diejenigen, die in ihrem Wirkkreis das ihnen mögliche tun, um das Klima und die Umwelt zu schützen.
Ich habe dieses Wochenende Jenny besucht, mittlerweile einer meiner Herzmenschen und darf ein wenig von ihrem Leben auf einem Selbstversorgerhof berichten.
Wo man wieder atmen kann
Aus meiner Kleinstadt kommend fällt mir der Unterschied nicht so stark auf, aber wenn ich aus Berlin komme und Jenny besuche merke ich: hier kann man wieder durchatmen. Und das nicht nur, weil hier im Wald bei Celle das Leben weniger hektisch und mehr „geerdet“ ist, sondern auch weil die Luft tatsächlich einfach viel sauberer ist. Das Atmen fällt leichter, es fühlt sich frischer an. Der erste Gedanke schießt mir also durch den Kopf: selbst wenn, was ich nicht glaube, der Klimawandel nicht aufzuhalten ist, ist frische Luft zum Atmen doch einfach geil. Wieso sich also fragen, ob das alles überhaupt einen Sinn macht? Wieso muss aus allem eine Raketenwissenschaft und eine philosophische Abhandlung gemacht werden und nicht das Offensichtliche anerkannt werden? Ich kenne zumindest niemanden, der oder die sich freut, wenn die Lunge zusitzt und der Kopf vor Autoabgasen dröhnt.
Aber zurück zu Jenny. Sie lebt mit ihrem Freund Lars, Hund Nika, den Hühnern (deren Namen ich mir nicht alle merken konnte) und Enten auf einem großen, dicht umwachsenen Grundstück in einem ausgebauten LKW.
Und alle 3 (oder 20, rechnet man die Hühner und Enten mit ein) haben etwas so unfassbar liebes an sich. Etwas, was vielleicht Menschen haben, die mit sich und ihrem Umfeld im reinen sind. Nika muss nachts Lars mindestens einmal über die Glatze schlecken und ganz ehrlich: ich habe auch öfter am Tag das Bedürfnis. Wenn er mir einen Stecker für meinen MiniVan bastelt, um die Heizung, die Jenny mir geschenkt hat, auch an Wohnmobilstellplätzen anschließen zu können. Oder wenn wir am Lagerfeuer sitzen und einen Film auf dem selbstgebauten open Air Kino (!) gucken. Dann könnte ich ihnen durchs Gesicht lecken für ihre Gastfreundschaft, ihre Hilfsbereitschaft und dem für sie ganz normalen Wunsch zu teilen. Und eben dieses Teilen ist etwas, was uns allen vielleicht mal den Arsch retten kann. Aber dazu später mehr.
Früher als Physiotherapeutin tätig, hat Jenny in Hannover gelebt und das getan, was viele Menschen immer wieder tun: ignoriert, dass das Großstadtleben vielleicht gar nichts für einen ist. Stattdessen nagt der innere Wunsch an einem, in Gummistiefeln durch den Wald zu wandern, Wildkräuter zu sammeln und auf dem eigenen Land Gemüse und Obst anzupflanzen. Und es gibt eigentlich nur einen Grund, es nicht zu tun: die Angst vor dem Unbekannten und die angebliche Sicherheit der Stadt aufzugeben.
Und dennoch hat sie es getan: sie hat ihre Wohnung gekündigt und sich auf das Abendteuer eingelassen.
Sich trauen, der Umwelt zuliebe
Aber nicht nur das eigene Gefühl, aufs Land zu gehören, war Jennys Motivation, der Stadt den Rücken zu kehren, sondern auch die Liebe zur Umwelt und Natur.
Geht man durch die Stadt fällt einem erstmal auf, wie viel Strom hier in den Orbit geschossen wird. Leuchtreklamen, „Lichtverschmutzung“, noch und nöcher. Und Wasser fließt, als wäre es im Überfluss da. All sowas wird auf dem Land, dort, wo es kein fließendes Wasser gibt, zur Luxusware. Man lernt innerhalb weniger Stunden, wie viel Wert Rohstoffe haben. Wenn man nur eine begrenzte Menge an warmen Wasser hat, lässt man es eben nicht die ganze Zeit laufen.
Und auch der Verpackungsmüll fällt hier viel mehr auf. Zuhause: ab in die Tonne, nie mehr gesehen. Hier kommt mir Müll wie ein Fremdkörper vor. Was er auch ist. Deswegen verzichten Jenny und Lars so gut es geht auf Verpackungen, bzw. leben schlichtweg nachhaltig. Das Gemüse wird mit den Nachbarn getauscht: Porree und Tomatensauce gegen Zucchini-Chutney und Apfelmus. Bevor etwas weggeschmissen wird, wird es erstmal repariert oder geflickt. Alles, was man eben selber machen kann, wird selber gemacht. So zum Beispiel auch Deo und Seife.
Zugegeben: ich habe mich etwas dämlich angestellt, als ich die Lauge und das Öl Zusammenkippen sollte. Generell fühle ich mich hier immer ein wenig wie ein Stadttölpel. Und merke: wie viel habe ich doch verlernt! Dinge, die eigentlich in unserer Natur liegen sollten. Jetzt vielleicht nicht Lauge und Öl mischen, aber eben die einfachen Dinge des Lebens.
Back to the roots, Baby
Es wird geteilt, getauscht und ausgetauscht. Die Eier, die hier gegessen werden, stammen von den eigenen Hühnern, die fröhlich gackernd auf dem großen Grundstück scharren dürfen – was sogar mich als eingemöhrte Veganerin überzeugt. Der Honig, wenn es welchen gibt, kommt von den eigenen Bienen. Tee wird aus den Kräutern gemacht, die auf dem Grundstück oder in der Umgebung wachsen. Alles ist einfach etwas urig, aber dafür umso liebevoller.
Deswegen bleibt doch eigentlich die Frage: wie kann ich das, wo auch immer ich lebe, umsetzen? Nicht jeder steht auf eine Komposttoilette (so wie ich. Ganz ehrlich…) oder kann Hühner halten.
Aber es ist irgendwie ganz einfach: wir müssen auf ein wenig Luxus verzichten, ein bisschen Unbequemlichkeit in Kauf nehmen und wieder Werte entwickeln und leben, die es möglich machen, dass man als Gemeinschaft mit der Umwelt lebt. Das besagte Teilen, Reparieren, Austauschen, das Bewusstsein für den Wert von Rohstoffen. All das ist die Basis, wenn wir wirklich etwas verändern wollen. Und das geht im kleinen, wie auch im großen Stil.
In dem Artikel Tragt mehr Dreads - ein Plädoyer für mehr Nachhaltigkeit habe ich schon ein paar Tipps gegeben, wie du nachhaltiger leben kannst. Also: let´s do this!