Als ich 2013 meine Ausbildung zur Yogalehrerin machte, hatte ich noch keine Ahnung, wohin mich dieser Weg bringen würde. Angestoßen von dem doch sehr klischeehaften Wunsch, irgendwie entspannter zu werden, fing ich mit den ersten Asanas auf meinem Bettvorleger an. Herabschauender Hund, krächzendes Kamel, flache Flunder, frische Fritte, tolle Tolle, kreuzgestreifte Kreuzbandnatter und wie sie nicht alle heißen. Ich muss gestehen: es dauerte seine Zeit, bis ich eine Wirkung spürte, aber seitdem hat sich mein Leben vom Grund auf geändert. Auf dieser Reise kam es dann auch irgendwann, dass ich mir selber in mühevoller Kleinarbeit Dreadlocks gemacht habe. Und wieder änderte sich etwas: nämlich meine Yogapraxis. Worauf du bei Yoga mit Dreads achten solltest und welche Übungen tatsächlich besonders gut sind, erfährst du in diesem Artikel.

„Yoga“ oder: Hipster, Leggings und andere Klischees

Um es kurz zu machen: alle Klischees sind wahr. Und doch trifft keines zu. So ist zumindest mein Eindruck. Egal, wie man sich Yoga vorstellt und eben YogiNis, findet man ausreichend Beispiele in der Realität. Da sind die Hipster-YogiNis, die mit der neuesten anti-rutsch-hält-warm-hält-kühl-hält-trocken Matte auf dem Gepäckträger morgens zur ersten Hot-Yoga-Stunde radeln, den Kurkuma-Latte in einem Bambus-Becher (japp, ich liebe Kurkuma-Latte in Bambus-Bechern). Die Leggings-Fraktion, die energetisiertes Wasser dabei hat, in der Kundalini-Stunde die Chakren visualisiert und entsprechende Laute, Mantras, gurgeln (ich steh auf diesen Kram…). Die Pranayama-AnhängerInnen, die hechelnd die Sonne anbeten. Die Welt des Yoga ist einfach bunt und vielfältig, so dass jeder Mensch einen Stil finden kann. Wenn man es denn möchte.

Genauso gut kann man auch von Stil zu Stil hüpfen, je nachdem, was man braucht. Was sich gut anfühlt. Denn das sollte schließlich irgendwie im Vordergrund stehen: der Wohlfühlfaktor. Sich wohl-fühlen mit dem, was man tut und wie man ist. Manchmal muss es eben die sanfte Yin-Yoga-Stunde sein oder eine fordernde Forrest-Yoga-Session. Und was spricht dagegen, Klischees zu bedienen oder besser: sich an ihnen zu bedienen? Go with the flow. Hell yes, I love Ingwer-Baobab-Spinat-Weizengras-Smoothies, die ich nach einer langen Meditation in mich und meinen Astralkörper kippe! Lautes Mantra-Singen! Und manchmal kotzt mich diese Yoga-Szene auch an. Wenn alles irgendwie zu weich gespült wirkt. Zu elitär. Ich möchte mehr Vielfalt sehen, weniger Retusche. Ich finde die Haut- und Speckfalten, die beim Knautschen des Körpers entstehen, schön! Die ganz ehrlichen Tränen, die fließen, wenn man plötzlich spürt, dass sich emotional etwas löst, weil man Stunde 7 in der Stellung des Kindes verbracht hat und plötzlich verstanden hat, worum es geht.

Unperfektionismus feiern - Yogaübungen für Dreadheads

In meinen Dreads sind Knubbel. Meine Ansatzhaare stehen meistens ab, so, als sei ich frisch aus dem Düsenantrieb gekrochen. Und beim Yoga mache ich komische Geräusche, mein Bauch, auch „lazy belly“ genannt, hängt in der Gegend rum und ja, meine Dreads verheddern sich. Je länger sie wurden, umso größer wurde die Gefahr, dass ich mich mit ihnen im Flow erwürge.

Lesson No. 1 bei Yoga mit Dreads: verabschiede dich vom Perfektionismus. Je mehr Dreads du hast, umso mehr Gewicht spielt in jeder Bewegung mit. Das bedeutet, dass du beispielsweise beim Kopfstand erst ein „Nest“ formen musst (oder kannst..du könntest dir auch eine Tonsur rasieren…), um deine Nackenwirbelsäule auf Dauer nicht ungleichmäßig zu belasten. Bei den Kriegerpositionen ziehen die Haare in eine Richtung und je nach Frisur kannst du das Gewicht entweder nutzen oder zu kämpfst dagegen an. Ein Dutt oder „Dreadknödel“ kann eben sehr schwer werden und das Gewicht beansprucht die kleine Nackenmuskulatur, die entlang der Wirbelsäule verläuft. So oder so verändert sich die Asana und die Frage „Was ist die perfekte Ausrichtung“ erübrigt sich.

Denn Lesson No. 2: passe niemals deinen Körper dem Yoga an, sondern immer die Asanas deinem Körper. Ganz unabhängig davon, ob du Dreadlocks hast oder nicht. Viel zu häufig laufen wir Gefahr, Asanas „nachmachen“ zu wollen, weil sie irgendwie fancy aussehen. Ok, zugegeben, manche MUSS ich einfach ausprobieren, weil sie irgendwie spannend aussehen. Mich neugierig machen. Das bedeutet aber auch, dass ich kopfüber ins Bücherregal segle oder in Positionen ende, bei denen ich allzu häufig schon dachte, dass ich mir mindestens ein Chakra gebrochen hätte.

Denn nicht nur unsere Dreadlocks sind individuelle Rebellen, sondern auch unsere Körper. Manche Menschen werden niemals in die Königskobra fließen können, weil die Dornfortsätze (das, was man als Hubbel spürt, wenn man über die Wirbelsäule streicht) zu lang sind. Andere sind quasi geborene Schlangen, aber ein Spagat wäre das, was sie zur ewigen Unlust verdammen würde.

Tipps für Yoga mit Dreads

Nach sechs Jahren Yoga mit Dreads gibt es aber ein paar Specials, die ich gerne mit dir teilen möchte:

    • Frisch gewaschenes und noch nasses Haar ist zu schwer und kühlt tatsächlich die Nacken- und Schultermuskulatur zu sehr aus. Im Sommer ist das vielleicht ganz angenehm, an kühlen Tagen kann es eher kontraproduktiv sein.

    • Wenn du deine Dreads offen trägst, achte auf Schmuck. Du wirst zum einen deine Dreadlocks zwischendurch sortieren und herumfliegender Schmuck kann besonders in einer Yogastunde zu einem nicht-Ahimsa-tauglichen Geschoss werden. Zum anderen solltest du darauf achten, dass du nicht auf dem Schmuck liegst. Das kann im Schulterstand oder ähnlichen Asanas schmerzhaft werden.

    • Für einen Flow eignen sich enge Frisuren, die gut halten. Für klassischen Hatha Yoga sind offene Dreads praktischer. Ich liebe den etwas lockeren Knoten am Hinterkopf für einen sanften Flow, weil er genügend Spielraum lässt und wenig „Neustrukturierung“ erfordert.

    • In unserem Artikel Yoga für Dreadheads findest du extra Übungen für den Nacken. Denn besonders bei langen und dicken Dreadlocks haben viele Leute Nackenschmerzen.

    • Ich finde auch Multifunktionstücher enorm praktisch. Zum einen, um beim Hot-Yoga Schweiß abzufangen, zum anderen um die Dreadies davon abzuhalten, immer im Gesicht rumzufliegen.

    Prinzipiell gilt das, was für alle YogiNis gilt: take care, fühl dich rein und achte auf die Signale deines Körpers.

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