Kitty, kitty, copy cat
Seit über sechszehn Jahren habe ich jetzt Dreadlocks mit und ohne Side-Cuts. Und immer wieder versumpfe ich vor dem Handy und scrolle durch Galerien. Ich überlege, wie ich wohl mit oder ohne einem Pony aussehen würde. Oder wie, wenn ich meine Dreads kürzen würde. Es ist besonders vor der großen Entscheidung, wie die eigenen Dreadlocks angelegt werden sollen, hilfreich, sich Zeit zu nehmen und verschiedene Dreadheads zu vergleichen. Eine tolle Möglichkeit ist Pinterest. Seit Dezember hegen wir auch ein DreadFactory Pinterest Profil, um möglichst viele Variationen und Möglichkeiten zu zeigen. Neben den eigenen Boards findest du auch Sammlungen mit Dreadlocks aus der ganzen Welt. Ich glaube, mittlerweile sollte von nahezu jeder Variation mindestens ein Bild zu finden sein. Und doch ist jedes Bild einzigartig.
Dreadlocks sind ein Naturprodukt. Jedes Haar ist anders, wie ein Fingerabdruck, nur auf deinem Kopf. Das bedeutet, dass auch alle Dreads individuell sind. Kein Dreadhead gleicht dem anderen und wie sehr wir auch gern eine bestimmte Art von Dreadlocks hätten – die/der Dreadstylist*in kann lediglich die Basis geben. Wie sich die Dreads entwickeln, hängt eben von der Pflege und der eigenen Haarstruktur ab.
Dennoch ist man immer wieder versucht, sich zu vergleichen und droht, es jemandem nachzumachen. Witzig ist dabei, dass dabei etwas ganz anderes eine Rolle spielt: der Wunsch, nach dem Lifestyle, den das Foto zeigt, zu erfahren und wir bringen eben diesen Lifestyle mit den Dreadlocks in Verbringung. Was auch bis zu einem gewissen Grad richtig ist. Mit Dreadlocks ändert sich dein Leben. Und doch: wenn wir den Style von jemandem nachmachen, sind wir eine Copy Cat.
Zugehörigkeit, Anpassung und das hässliche Entlein
Ein großer Faktor bei diesem Bedürfnis ist der Wunsch nach Zugehörigkeit. Wir Menschen sind genetisch dazu bestimmt, sozial zu sein. Wir sind Herdentiere. Und wir möchten eben einer Herde angehören. Leider ist es aber bei vielen Menschen so, dass die Herde eventuell nicht die richtige ist. Wer in der Schule mal das Gefühl hatte, ein Alien zu sein, hebe bitte die Hand. Ich hebe sie und schreibe grad einhändig (true Story). Oder auch in der eigenen Familie. Wir lieben sie und sie lieben uns – im besten Falle – und dennoch ist man der einzige Mensch in der Truppe, der nicht über die Witze lacht, während alle anderen unterm Tisch liegen und brüllen, gerade so, als hätte man nicht verstanden, was die Pointe war.
Du kennst sicherlich das Märchen von dem hässliche Entlein. Nach dem Schlüpfen schien es irgendwie anders zu sein als die anderen Küken. Größer, sperriger und auch das Quaken war anders. Es dauerte nicht lange, da wurde das hässliche Entlein aus dem Nest gestoßen und versuchte es bei vielen anderen Tieren. Beim Bauern wurde es fast geschlachtet. Es brauchte allen Mut, Tapferkeit, Durchhaltevermögen und Hoffnung, um weiter auf die Suche nach dem eigene Schwarm zu gehen und siehe da: das Entlein war ein Schwan, ein wunderschöner dazu, und fand schließlich den eigenen Schwarm. (Dabei soll es nicht um die Exklusion der Andersartigkeit gehen. Du weißt, was ich meine)
Deine Herde, Schwarm, deine Leute, zu denen du gehörst, könnten einfach noch irgendwo auf dich warten, wenn du das Gefühl hast, irgendwie fehl am Platz zu sein.
Es ist besser, sich auf die Suche zu machen – und zwar auf die Suche nach sich selbst. Denn wie sollte man wissen, wohin man gehört, wenn man nicht weiß, wer man ist? Und hier sind wir am empfindlichsten. Wenn wir ganz wir selbst sind, uns authentisch zeigen, unsere Bedürfnisse mutig formulieren und zu ihnen stehen, dann sind wir auf dem Weg, unsere Zugehörigkeit zu finden, anstatt uns anzupassen. Brené Brown, Forscherin und Autorin beschreibt dieses Phänomen sehr präzise in ihren Büchern über Verletzlichkeit und Scham. Denn ist es nicht häufig die Scham, die uns zurück hält, uns ganz ehrlich zu zeigen?
Aber was haben wir davon, wenn wir uns anpassen? Ich persönlich finde, dass dann ein unerträglicher Druck im inneren entsteht. Denn nach wie vor haben wir dann nicht „unsere Herde“ gefunden. Unseren Tribe. Im schlimmsten Fall leben wir nach den Werten und Idealen von anderen.
Dreadlocks: Individualität zum Anfassen
Dreadlocks sind schon ziemliche Rebellen. Damit meine ich ihren tiefsten Charakter. Manchmal könnte ich sie an die Wand klatschen, wenn sie einfach nicht so wollen, wie ich. Dann steht da der typische Verdächtige ständig ab und der Knubbel wächst weiter, die Fusseln stehen ab, no matter what (lies gern in meinem Artikel Fusselhaare - oder wie ich lernte, loszulassen was ich dagegen getan habe) und an anderen Tagen, den meisten Tagen, liebe ich sie genau dafür. Und tatsächlich ging meine Suche nach mir selbst in die richtige Richtung, als ich endlich Dreadlocks hatte. Und das weniger, weil ich dann den „Dreadheads“ angehörte, sondern weil der Mensch, der mir da aus dem Spiegel entgegen sah, mehr aussah wie ich. Viele berichten davon, dass sie ihre Dreads vermissen, wenn sie sie abschneiden. Andere gehen durch diesen Schritt in einen neuen Lebensabschnitt.
Inspirationen sind toll. Ich liebe es, mich mit inspirierenden Menschen zu umgeben. Ich liebe es, neues auszuprobieren, aus manchem herauszuwachsen und neue Dinge in mein Leben oder auf meinen Kopf zu lassen. Und ich liebe Dreadlocks Inspirationen.
Tapp nicht in die Falle
Der Sommer ist bereits da und viele viele Menschen haben vor Wochen angefangen, ihren Körper „startklar“ zu machen. Ready für die Bikini-Figur. Work-Outs, Diäten oder was sonst so auf dem Markt ist. Denn schließlich wird das irgendwie von einem gefordert. Schlank, glatte Beine, Achseln, Brust. Das Idealbild. Social Media Kanäle wie Instagram und Pinterest machen die Situation nicht besser. Wieder ist der Vergleich das große Thema, denn unterbewusst assoziieren wir das körperliche Idealbild mit erfolgreich sein – im Beruf, beim Flirten, im Alltag. Und ja: ich bin mir der Verantwortung bewusst, wenn ich irgendwo irgendwelche Bilder poste. Ich weiß, dass es Menschen dazu verleiten kann, die eigenen Bedürfnisse nach Zugehörigkeit und „Erfolg“, sprich Akzeptanz, fehlzuinterpretieren. Vielleicht ist es mein eigener Hintergrund, der mich dafür sensibilisiert hat. Tatsächlich hatte ich viele Jahre arge Probleme mit meinem Körper. Ich hungerte ihn sogar runter, obwohl ich gar nicht auf irgendein Maß fixiert war. Aber ich stelle die gewagte These auf: es geht bei Essstörungen nicht ums Essen. Es geht nicht ums Abnehmen. Es geht darum, die eigenen Bedürfnisse zu unterdrücken, durch welche Art einer Essstörung auch immer. Das Ausmaß muss nicht immer dramatisch, also gefährlich sein und doch möchte ich natürlich die Gelegenheit nutzen, dir zu sagen: du bist genug. Du bist wunderbar. Und du bist sexy.
Ach ja, und mein Tipp für die „Bikini-“ oder „Badehosen“-Figur? FKK.