Jeder kennt das Bild: zwei oder mehrere Affen sitzen zusammen, pflegen sich gegenseitig das Fell und sind gesellig.

Wie die Affen – wie gegenseitige Dreadpflege die Bindung stärkt

Wenn man sich nun Dreadheads anschaut, wie sie sich gegenseitig in den Dreadlocks rumfummeln, sie pflegen, verzieren oder kraulen (den Kopf flauschen, obwohl man Dreads hat, können vor allem andere Dreadheads gut! Sie wissen einfach, was gut tut), erinnern sie doch stark an eine entspannte Affenfamilie. Denn abgesehen von der Pflege, hat dieses Zusammensein und der Kontakt mit Artgenossen etwas sehr soziales und stärkt die Bindung untereinander. Aber warum ist das so? Und wie ist es für professionelle DreadstylistInnen? Bauen sie durch Dreadpflege zu jedem Kunden eine Beziehung auf? Sind wir einfach wie die Affen und diese gegenseitige Pflege liegt in unseren Genen?

Ein kleiner Exkurs in die Biologie

Wie in vielen Blogartikel nehme ich gern die Gelegenheit wahr, ein wenig auszuholen, wenn nicht gar abzuschweifen. Viele Jahre lang sprach man davon, dass der Mensch vom Affen abstamme und unsere Vorfahren Schimpansen seien. Heute weiß man allerdings, dass wir nicht von ihnen abstammen, sondern dass sie unsere Verwandten sind, Cousins quasi. Unter der Leitung von Svante Pääbo vom Max-Planck-Institut hat ein internationales Forscherteam das Genom von Bonobos, auch Zwergschimpansen genannt, entschlüsseln können. Bis dahin waren Bonobos, die den Schimpansen sehr ähnlich sehen, nicht wirklich in unserem Wahrnehmungsbereich. Oder hast du schonmal von ihnen gehört? Ich wurde tatsächlich nur auf sie aufmerksam, weil sie in einem Theaterstück genannt wurden. Sowas nennt man dann „kulturelle Bildung“. Jedenfalls sind uns die Bonobos in einigen Genen ähnlicher als den Schimpansen, wir besitzen mehr oder weniger zu gleichen Teilen verwandte Gene, denn wir stammen vom gleichen Vorfahren ab. Schimpansen und Bonobos sind in ihrem Verhalten sehr unterschiedlich: während Schimpansen zu Aggression neigen und ihren Rang durch Kämpfe ausfechten, ziehen die Bonobos Sex vor. Sie vögeln. Ständig. In ihren Gruppen haben ohnehin die Weibchen meistens das Sagen und untereinander wird gekuschelt und gebumst, wann immer es einen Anlass gibt: Begrüßung, Trost, Zuneigung, Fortpflanzung. Aber auch die besagte Fellpflege steht im Mittelpunkt des sozialen Gefüges. Denn die Bonobos kennen durchaus auch Freundschaft ohne Sex: Wissenschaftler des Max-Planck Institutes fanden heraus, dass die Freundschaften durch das Lausen intensiviert und aufrecht gehalten werden. Außerdem ziehen Bonobo-Weibchen solche Männchen vor, die weniger aggressiv sind. Das mag, rein evolutionstechnisch, erklären, warum diese Affen so friedfertig sind. Keine Eifersucht. Kein Gerangel. Wer ficken will, muss lieb sein.

Alles Hippies? Freie Liebe?

Das erinnert nun alles an die Hippies der 70er, die der freien Lieben frönten und lieber Liebe machten, als Krieg. Das finde ich übrigens sehr augenöffnend, dass es irgendwie mehr in der Gesellschaft angekommen ist, Krieg zu führen, als die freie Liebe. Sollte man mal drüber nachdenken. Aber darum geht es grad nicht. Sondern um die Pflege von Dreadlocks und was das mit den Menschen macht. Zunächst einmal beschreiben viele DreadstylistInnen das Dreaden oder Häkeln als sehr meditativ und entspannend. Und auch die Gepflegten berichten von einer Entschleunigung und der damit einergehenden Entspannung. Aber auch rein biologisch kann man dieses Phänomen der Geselligkeit erklären: wir schütten, wie die Affen beim Lausen, das Hormon Oxytocin aus, wenn wir kuscheln oder anderen Körperkontakt haben, beziehungsweise Zuneigung erfahren. Dieses Hormon verursacht, dass wir uns wohl fühlen und Vertrauen aufbauen. Wir schütten es übrigens noch mehr aus, wenn wir uns wohl fühlen. Ein sogenannter Rückkopplungseffekt. Das gleiche passiert auch beim und nach dem Sex. Sind wir also doch Bonobos und haben uns nur verirrt? Sind die Schimpansen die dunkle Seite der Macht? Oder unterscheiden wir uns als Menschen eben dadurch, dass wir uns frei entscheiden können zwischen dem kämpferischen Schimpansendasein oder dem flauschig-bumsigen Bonobo-Leben? Liegt es in den Genen?

Wir fragen unsere DreadstylistIn Verena.
Du als Dreaderin hast offenbar viel Oxytocin auszuschütten?

Mein Körper ist auf jeden Fall auf die Oxytocinproduktion ausgelegt ;-)
In den unterschiedlichen Bereichen meines Lebens spielt Oxytocin eine große Rolle: als stillende Mutter, als Partnerin in zwei Beziehungen, als Hundeschmuserin, als Acroyogini (Thai-Massage ftw!). Ich glaube, das alles unterscheidet sich stark vom Dreaden und daher würde ich die soziale Komponente nicht dem Oxytocin zusprechen. Zwar häkele ich auch in rhythmischen Bewegungen, aber ob bei der Dreadpflege Oxytocin ausgeschüttet wird?
 Woran ich fest glaube, ist, dass der Job vorsortiert. 

Die wenigsten werden wohl Dreadartist, wenn sie nicht eine kleine Tendenz zum Kuscheln, eine Portion Extrovertiertheit und Lust auf sozialen Austausch haben. Immerhin reden wir hier davon, völlig unbekannte Menschen in die ganz private Umgebung zu lassen und ihnen anschließend mit den Fingern an der Kopfhaut herumzuwuseln. Berührungsangst ist da eher suboptimal.

Bei mir persönlich glaube ich, entsteht die Bindung zu KundInnen eher durch den Austausch. Egal wie viel ich „lause“ (Leute, bitte kommt nicht mit Läusen zu mir, bitte bitte), gibt es KundInnen, denen ich mich nach dem Termin verbundener fühle als anderen. Bei mir hat das definitiv damit zu tun, den Menschen unter den Dreads (aus meiner Perspektive) kennenzulernen. Gemeinsame Werte, Themen, angeregte Diskussionen oder gemeinsames Grooven zur Hintergrundmusik machen bei mir viel des Verbundenheitsgefühls aus.

„There isn’t a person you wouldn‘t love if you could read their story“ (M.J. Hinckley) ist eines meiner Lieblingszitate. Was Liebe dann heißt, da wird es wohl philosophisch. Ich liebe auf jeden Fall meinen Job und auch meine KundInnen <3

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