Es gibt ungefähr zwei Typen Mensch: die einen, die einmal pro Monat zum Friseur gehen und besonders bei speziellen Ereignissen im Leben durch einen neuen Haarschnitt eine alte Phase hinter sich lassen wollen, zum anderen die, die gerne die Haare Haare sein lassen und maximal einen Knödel drehen. Auch Dreadheads scheinen sich so aufzuteilen. Manche genießen die Tatsache, dass Dreadlocks unkomplizierte Gesellen sind, andere werden kreativ, wenn es darum geht, den eigene Dreadlocks immer wieder einen neuen Look zu verpassen.
Ich bekomme häufiger Anfragen, wie es denn wäre, so mit Dreadlocks und Sidecuts. Geht das? Auf was muss man achten? Und wie sieht das überhaupt aus?
Von Mohawks, Irokesen, Undercuts und Sidecuts
Zunächst eine kleine Exkursion die Historie der Frisuren. Anders als bei einem Undercut, bei dem nur eine „Insel“ an Haaren stehen gelassen und rundherum kurzgeschnitten oder auch rasiert wird, verläuft ein Irokesen-Schnitt ähnlich wie ein Hahnenkamm bis in den Nacken. Die Frisur findet bei den Mohawks ihren Ursprung: der nordamerikanische Stamm schnitt sich die Haare an den Seiten ab und stellte die Oberhaare auf, so dass sie optisch größer aussahen (sollte ich auch mal ausprobieren…). Besonders im Krieg sollte so der Feind eingeschüchtert werden. Die Mohawk gehören zum Bund der Irokesen. Der sogenannte „Iro“ war in Europa besonders als Punk-Frisur beliebt, erhielt aber nach und nach -wie eigentlich alles- Einzug in den Mainstream.
Ein Sidecut hingegen beschreibt die Friese, bei der lediglich die Haare an der Seite abrasiert oder geschnitten werden. Irokese: auch hinter dem Ohr, Undercut: auch Nacken. Das Ausmaß der Rasur definiert sozusagen die Frisur. Nur für den Fall, dass du zum Friseur gehen möchtest und einen „Undercut“ wünschst und dich dann fragst, warum es so frisch im Nacken ist.
Warum ich meinen Sidecut liebe
Damals, als ich noch zur Schule ging (ich fühle mich grad wie eine alte Dread-Granny…), rasierte ich mir irgendwann einen Irokesenschnitt. Der Rest wurde fachmännisch nach oben gestellt und voila: der Protest auf dem Gymnasium war sichtbar. Das schien mir irgendwie naheliegend zu sein, zumal ich bis dato immer unzufrieden mit meinen Haaren war. Ich fühlte mich einfach nicht wohl und nach und nach fand ich langsam zu mir. Die ganze Geschichte zu erzählen, würde hier jetzt zu lange dauern (und du kannst HIER auch noch mehr darüber lesen), aber: erst als ich dann den Rest in Dreads gefilzt hatte, fühlte ich mich angekommen. Der Irokese wuchs schließlich zum Sidecut und damit war auch mein monatliches Ritual geboren.
Denn ich verstehe die Menschen, die erstmal eine neue Frisur brauchen, wenn sie sich beispielsweise getrennt haben oder einen neuen Job anfangen, umziehen, eine Krankheit überwunden haben. Viele KundInnen der DreadFactory feiern auch beim Erstellen von Dreadlocks ihre neue Lebensphase. Sie trauen sich, aus ihrer Komfortzone auszubrechen, noch mehr zu sich zu stehen, zu der Frisur, die ihnen gefällt. Viele grenzen sich so von den Konventionen ab, zeigen eine gewisse Zugehörigkeit oder gönnen sich selbst diese Stunden bei der Pflege / Erstellung.
Wenn meine Seiten so lang gewachsen sind, dass ich aussehe wie ein Monchichi, ist es auch für mich Zeit, den Rasierer rauszuholen. Und was zunächst wie ein banaler Akt wirkt, ist tatsächlich mein Ritual.
Es geht darum, für einen Moment drüber nachzudenken, was in dem letzten Monat passiert ist und was ich loslassen möchte. Mich buchstäblich davon zu befreien. Ein Moment des Innehalten. Im Yoga nennt man das „Sadhana“, eine spirituelle Praxis und tatsächlich wird alles, was wir in ein kleines oder großes Ritual einbinden, besonders. Und ich mag besonderes. Besonders wenn es einem die Chance gibt, die schnelle Welt ein bisschen langsamer zu machen und für einen Moment ruhig zu werden.
Aber du kannst natürlich auch einen Sidecut ohne Gedöns und Ritual und was nicht alles tragen!
3 Tipps für Sidecuts bei Dreadlocks
Unabhängig davon, warum du dir einen Sidecut bei Dreadlocks schneiden möchtest, solltest du ein paar Dinge beachten, damit du auch weiterhin schöne Dreadlocks und vor allem Ansätze hast! Ich spreche hier (leider) aus Erfahrung 😉
- Achte darauf, dass du beim Rasieren nicht die Ansätze der Dreadlocks erwischst. Sie werden sonst immer dünner und irgendwann hast du einen ganz ganz schmalen Iro auf dem Kopf.
- Pflege deine Kopfhaut! Damit meine ich sowohl die Reinigung als auch den Schutz. Denn besonders hier bist du nun anfällig für Sonnenbrände!
- Wenn du den Sidecut rauswachsen lassen möchtest, sieht es am besten aus, wenn du die Dreadlocks auf einer Seite trägst, bist die Haare wieder lang genug sind, um sie zu dreaden und zu verlängern. Das geht am besten ab einer Länge von 15 cm. So hat man genügend „Material“, um feste Dreadlocks zu machen und entsprechend zu verlängern.
Denk immer daran: du hast beim Rasieren keine zweite Chance! Mittlerweile rasiere ich ohne Aufsatz, aber es bietet sich an, sich langsam ranzutasten und mit ein paar Millimetern mehr anzufangen! Und sollte es doch mal kürzer werden als gewollt, schmeiß nicht die Nerven weg - ein, zwei Wochen später sieht das Ganze schon wieder anders aus.